Alte Weine trinken – warum?
Weine sind wie menschliche Persönlichkeiten. Ein phlegmatischer, emotionsloser junger Mensch wird im Alter selten ein dynamischer Revoluzzer. Ebenso wird ein Wein der jung sehr rund ist und wenig Struktur hat, im Alter kaum gehaltvoll.
Alte Weine würde ich ab ca. 10 Jahren als solche bezeichnen. Früher, ich spreche von bis vor 20 Jahren, wurden Rotweine (die Guten) so produziert, dass sie erst nach 10 bis 15 Jahren trinkreif waren. Wein trinken wurde moderner und musste sich auch weniger „planenden“ Konsumenten öffnen. Dazu kam der Druck der „neuen Welt Weine“. Diese Weine waren und sind vielfach „easy to drink“, das heißt sie bieten ohne genaue Kenntnis der Herkunft, der Rebsorten oder des Jahrgangs ein angenehmes Trinkvergnügen.
Die traditionellen Weinregionen haben reagiert, sie haben Ihre Vinifikation verändert und weiterentwickelt. Heute kann man auch junge Bordeaux und Barolos genießen. Häufig werde ich gefragt: „ wie lange muss man diesen Wein lagern ?“. Die Antwort ist einfach: „Wenn er Ihnen jetzt schmeckt, dann trinken Sie ihn jetzt – oder warten Sie und lassen ihn reifen“.
Ich trinke meistens junge Rotweine. Fallweise habe ich die Gelegenheit – oder gönne sie mir – einen reifen Rotwein zu öffnen. Vor 3 Wochen war es ein 30 Jahre alter Barolo, kurz darauf ein 20 Jahre alter Cabernet Sauvignon von Beringer aus dem Nappa Valley und letzte Woche ein 71er Vergelesses aus dem Burgund (hatte schon einen leichten Sherryton). Alte Weine kann man auch mit einer menschlichen Persönlichkeit vergleichen. In der Jugend noch voller Leidenschaft, unausgeglichen mit vielen Ecken, wie die spitze Säure eines Sangiovese-Chiantis, oder die harten Tannine eines Bordeaux.
So eine (Wein-) Persönlichkeit kann mit den Jahren zu einem reifen, gehaltvollen und entspannten Charakter reifen. Ein alter Wein, der in der Jugend viel Struktur hatte wird nach 10 bis 15 Jahren nicht mit einer vordergründigen Frucht beeindrucken, sondern mit dem wunderbaren Spiel aus Säure, Tanninen und Frucht. Solche Weine verlangen mehr Aufmerksamkeit, aber sie übertragen das eigene Gleichgewicht als erholsame Entspannung auf den Genießer. Dies sind Momente die man auch zulassen können muss, für die man Zeit und Widmung braucht.
Alte Weine trinken erfordert leider auch die Bereitschaft Enttäuschungen zu erleben. Oft ist ein alter Wein noch immer zu jung (das kann sogar bei weißen Burgundern passieren ). Es kann auch vorkommen, dass ein bestimmter Geschmackston so überwiegt, dass es kein Vergnügen ist diesen Wein zu trinken. Dennoch empfehle ich Ihnen, wenn Sie Platz und ein wenig Geduld haben, von bestimmten Weinen 12 oder 24 Flaschen zu kaufen und diese bewusst liegen zu lassen. Es wird die Geschmacksvielfalt Ihres Kellers bereichern. (Haben Sie keine Angst vor der Lagerfähigkeit von guten Weinen, diese halten auch eine Wohnraumlagerung über mehr als 15 Jahre problemlos aus.)
Wir werden anlässlich unserer nächsten Verkostung einige ältere Weine anbieten und freuen uns auf Ihre Reaktion:
– Il Tocco 1995 von Colle Bereto 27,10
– Brunello Caparzo 1994 36,95
– Chianti Classico Riecine 1998 14,30
– Château Patache d’Aux 1996 / Médoc 18,30
– Château d’Angludet 1994 / Margaux 21,25
– Château Pavie Macquin 1999 / St. Emilion 77,20